Theologie, Mathematik und Informatik
Ich werde oft gefragt: »Wie kommt eine Theologin dazu, Informatik und Mathe zu studieren?« Gedanken einiger Theologen und Philosophen, die mich zu meiner Antwort inspiriert haben, möchte ich hier nennen.
- Gott in allen Dingen finden (Ignatius von Loyola, Alfred Delp, Galileo Galilei)
- Logik in Philosophie, Theologie und in der Informatik (Gottfried Paschke u. a.)
- Glaube und Vernunft (Medard Kehl, Peter Knauer)
- Unsere Logik und ihre Grenzen (Kurt Friedrich Gödel)
1. Ignatius: Gott in allen Dingen finden
Am meisten fasziniert mich an Mathematik und Informatik die Schönheit der Zusammenhänge, die da zutage treten. Von Ignatius von Loyola habe ich einst gelernt, wie segensreich es ist, Gott in allen Dingen suchen und finden zu können (denn er hat sie ja erschaffen). Wenn ich mich mit Mathematik und Informatik beschäftige, dann muss ich nach seinen Spuren gar nicht groß suchen. Wenn ich einen mathematischen Zusammenhang neu verstehen lernen darf oder einen Algorithmus, der in der Informatik ein gewünschtes Ziel zu erreichen hilft, dann freue ich mich über diesen Zusammenklang der Dinge; dass es so »funktioniert« und zusammenpasst. Mathematik und Informatik ist für mich praktisch gelebte Freude an Gottes Schöpfung.
Galileo Galilei soll einmal gesagt haben:
Auf Alfred Delp geht folgendes Zitat zurück:
Die Situation, in der diese Zeilen entstanden sind, war eine sehr existenzielle. Es geht hier eigentlich um die Frage, wie man als Glaubender mit tiefem Leid umgehen kann. Doch auch für den »normalen« Alltag und die Arbeit hilft mir der Gedanke, den Alfred Delp formuliert. In allem, was ich tue, kann es zur Gottesbegegnung kommen; alles fordert mich zu einer Antwort heraus. Zu meiner Antwort gehört zurzeit auch, mich mit Mathematik und Informatik zu beschäftigen. Und am liebsten möchte ich all das, was ich hier zu sehen habe lernen dürfen, auch einmal an andere weitergeben …
2. Logik in Philosophie, Theologie und in der Informatik (Gottfried Paschke u. a.)
Manchmal werde ich ironisch gefragt, ob ich mit mathematischen Mitteln etwa Gottesbeweise führen wolle; in dem Sinn, wie die Fragenden es verstehen, sicher nicht. Aber das Argumentieren und logische Schließen gehören ganz wesentlich zu jeder guten Theologie. Darum hat das Theologiestudium an der Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt/M. ja auch mit 4 Semestern Philosophie begonnen. Unter anderem habe ich damals bei Gottfried Paschke das Logik-Seminar besucht, von dem ich sehr profitiert habe. Die Inhalte dieses Seminars entsprachen im Wesentlichen dem, was man im Bachelor Informatik über klassische Logik lernen kann. Hier wird eine Art Verwandtschaft zwischen beiden Wissenschaften deutlich: Gute Theologie bedient sich derselben Methode vernünftigen Schlussfolgerns wie die Philosophie und die Mathematik.
3. Glaube und Vernunft (Medard Kehl, Peter Knauer)
Zu den Theologen, die mich während meines Studiums besonders geprägt haben, gehören Peter Knauer und Medard Kehl. Hier konnte man im Studium live erfahren, dass gute Theologie keinen Einwand der Vernunft zu fürchten hat; was immer ihr an kritischen Fragen begegnet, dient vielmehr als Filter oder Kriterium dafür, ob man sich vielleicht von den Grundsätzen vernünftigen Argumentierens entfernt hat.
Für mich bedeutete Theologie daher oft auch Übersetzen. Es ist eine spannende Aufgabe, das, was theologische Texte erkannt haben und aussagen wollen, zu übersetzen in eine Sprache, die auch Nicht-Theologen und Nicht-Philosophen verstehen. Einerseits kommt hier also wieder das Gemeinsame zwischen Theologie, Mathematik und Informatik zum Tragen (die vergleichbare Art zu schlossfolgern und zu argumentieren), andererseits wird auch eine Grenze sichtbar:
Es wäre vermessen, wenn die Theologie meinte, Gott ließe sich mit irgendeinem menschlichen Denksystem ganz begreifen. Die philosphische Gotteslehre fragt unter anderem, was wir von Gott überhaupt »erkennen« können und wann der Mensch seine Grenze anerkennen muss, denn Gott ist größer als alles, was wir denken können. Oder um es mit einem Satz aus dem Buch Jesaja auszudrücken:
und meine Gedanken über eure Gedanken.« (Jes 55,8f.)
4. Unsere Logik und ihre Grenzen (Kurt Friedrich Gödel)
Hier begegnen sich Mathematik und Theologie wieder: Der Mathematiker Kurt Friedrich Gödel hat unter anderem in den sogenannten Unvollständigkeitssätzen das Phänomen beschrieben, dass es in jedem formalen System Grundannahmen bzw. Formeln gibt, die nicht in diesem System bewiesen werden können. Ein System kann sich also nicht selbst beweisen. Für die Theologie ist dies ein Ausgangspunkt für die Frage: Woran erweist sich die Wahrheit einer theologischen Aussage? Gibt es Kriterien, anhand derer man wahre von unwahren Aussagen unterscheiden kann – und welche genau sind dies?
Fazit
Dass es für eine Theologin also sehr passen kann, sich mit Begeisterung auch der Mathematik und Informatik zuzuwenden, habe ich hier kurz beschrieben. Dabei habe ich manche Themen nur angerissen. Es lohnt sich auf jeden Fall, ihnen gründlicher nachzugehen.
Bei Interesse verfasse ich hier weitere Notizen zu diesem Thema. Haben Sie Anregungen oder eine konkrete Frage, deren Antwort Sie interessiert? Welche? Schreiben Sie mir dazu gern eine Nachricht.