Gebet der liebenden Aufmerksamkeit (2) - Auszeit

Barbara Honolds Theologie-Blog


25.06.2008

Auszeit

Wenn wir uns im Alltag nach Ruhe und einer kleinen „Auszeit“ sehnen, kann eine Gebetsübung des heiligen Ignatius von Loyola eine gute Anregung sein; oft wird sie „Gebet der liebenden Aufmerksamkeit“ genannt. Nur eine kurze Pause mitten im turbulenten Alltag, nur wenige Minuten der Sammlung vor Gott, lassen eine Art „Oase im Alltag“ entstehen.
Manche beten auf diese Weise auch abends, als Tagesabschluss:

Sich dankend einfinden in Gottes Gegenwart

Der erste „Schritt“: man wird sich bewusst, nicht allein zu sein, sondern vor Gottes liebendem Blick zu stehen; man darf die Zeit der Ruhe genießen, einfach „da sein“. Das kann auch in Worten ausgedrückt werden: „Herr, ich danke Dir für diese kurze Zeit mit Dir. Ich danke Dir, dass Du da bist, jetzt – hier bei mir. Ich bin bereit, Dir zu begegnen…“.

Eine Bitte

Es folgt die Bitte um einen klaren, unverstellten Blick: dass wir den Tag mit wachen Augen im Lichte Gottes sehen können – selbst wenn uns dabei Dinge auffallen, die uns unangenehm sind.

Die Wirklichkeit des Tages anschauen

Nun geht es darum, mit liebender Aufmerksamkeit, ohne gleich zu urteilen oder zu werten, sich dem zuzuwenden, was bisher an diesem Tag geschehen ist. Man kann den Tag Stunde für Stunde durchgehen oder Ort um Ort, Begegnung nach Begegnung. „Wo ist mir etwas von Gott und seinem Heiligen Geist begegnet?“, kann man sich fragen und den Blick auf Erfahrungen von Glaube, Hoffnung, Liebe lenken, aber auch auf die andere Seite, Wirkungen von „unheiligem Geist“: Kleingläubigkeit, Hoffnungslosigkeit, Egoismus ...

Lobend und dankend alles Geschenkte vor Gott bringen

Lob und Dank prägen dieses Gebet mehr als etwa die Enttäuschung über das, was nicht gut gelaufen ist. Am Ende der Gebetszeit steht die Bitte um das Geschenk der Versöhnung, damit Neuanfänge möglich werden. Zugehen auf den weiteren (oder neuen) Tag mit Gott.

Der Rest des Tages oder ein neuer Tag wird am Schluss „ins Gebet genommen“:

Was uns im Blick darauf bewegt – Ereignisse, Begegnungen, Hoffnungen, Befürchtungen, Pläne, Sorgen – all dies wird in Gottes Hände gelegt – mit der Bitte um Vertrauen, Zuversicht und die Gabe, zu unterscheiden, was von all dem aus der Perspektive des Wortes Gottes wirklich wichtig ist.

Wer den zugrunde liegenden Text im Original lesen möchte, findet ihn in den „Geistlichen Übungen“ des Ignatius von Loyola (= dem Exerzitienbuch, das Ignatius im 16. Jh. als Anleitung für Exerzitienbegleiter geschrieben hat) unter der Nummer 43.