Geschenktes Licht

„Ach, bin ich wieder blind!“, rufe ich manchmal aus, wenn ich etwas nicht gefunden habe, das vor meiner Nase lag: Das Gesuchte lag so nah: „Es beißt ja fast!“, heißt es dann.

Im Evangelium des 30. Sonntags im Jahrekreis B (Mk 10,46-52) geht es um Bartimäus, der im ursprünglichen Wortsinn blind ist. Er hört nicht auf, Jesus zu rufen, denn auf ihn setzt er seine Hoffnung: Jesus kann Licht in sein Dunkel bringen.

Als Jesus ihn fragt, sagt er: „Ich möchte wieder sehen können.“ Im griechischen Text steht hier "anablepso", was auch die Bedeutungen „aufschauen“ und „nach oben sehen“ tragen kann.

Geht es also vielleicht um mehr als um das optische Sehen: um einen Blick nach oben, zum Himmel? Um das Aufschauen zu Gott?

Ich höre aus diesem Text zum einen den Anspruch heraus, als Glaubende nicht blind zu werden: mir die Augen öffnen zu lassen, um Gottes Gegenwart und Liebe zu erkennen: täglich neu.

Zum anderen erinnert mich der Text an ein Buch von Jacques Lusseyran (1924-1971): „Das wiedergefundene Licht“.


Im Alter von acht Jahren erblindete Lusseyran nach einem Unfall. Im Buch kommt zum Ausdruck, wie es ihm als Heranwachsendem gelang, seine Blindheit zu akzeptieren und neu, anders sehen zu lernen. Er entdeckt Dinge, die Sehende über-sehen.

In ihm entsteht ein Selbstvertrauen, das dermaßen auf andere ausstrahlt, dass er für andere zum Ratgeber wird. Als Jugendlicher engagiert er sich innerhalb der Résistance gegen die Besatzungsmacht, wird 1943 verhaftet und nach Buchenwald deportiert.

Hier, in der Auseinandersetzung mit Krankheit, Folter und Mord, überlebt er vor allem aufgrund seines, wie er es nennt, „inneren Lichtes“. Als Widerstandskämpfer - vor allem auch gegen Leid und Bosheit - hilft er vielen anderen, die Hoffnung nicht zu verlieren.








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