30.08.2009

Ein reines Herz

"Hört das Wort nicht nur, sondern handelt danach",
so hören wir in der 2. Lesung des 22. Sonntags im Jahreskreis (B) (Jak 1,17-18.21b-22.27).

Im Evangelium begegnet uns dazu die Mahnung: Ehre mit dem Herzen, nicht nur mit den Lippen (Mk 7,1-8.14-15.21-23). Denn nichts, was von außen in den Menschen hineinkommt, kann ihn unrein machen, sondern was aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein. Die Gottesbeziehung lässt sich nicht durch kultische Korrektheit sichern. Auf die Reinheit des Herzens kommt es an - doch wann ist das Herz schon rein?

In John Grishams Roman Der Richter betrügt Ray Atlee ganz reinen Herzens seinen drogenabhängigen jüngeren Bruder Forrest: Einem Treffen mit seinem Vater und seinem Bruder sieht er bange entgegen; doch als er in dem heruntergekommenen Haus in einem ruhigen Viertel von Clanton, Mississippi, eintrifft, ist der Vater tot - scheinbar friedlich auf dem Sofa entschlafen. Doch findet Ray mehrere Kartons voller Bargeld in der Bibliothek. Eiligst lässt er sie verschwinden und rechtfertigt sich mit der - wohl begründeten - Vermutung, Forrest würde sie ansonsten doch nur schnurstracks zum nächsten Drogendealer tragen.

Grisham entwirft eine spannende Geschichte, in deren Verlauf man sich fragen kann, ob man nicht auch reinen Herzens und guten Gewissens in die falsche Richtung gehen kann.

Im Lateinischen gibt es die Redewendung "salvo meliore", vorbehaltlich einer besseren Einsicht. Oder "salvo errore et omissione", Irrtum und Auslassungen vorbehalten. Daran werde ich zuweilen erinnert, wenn ich meine, schnell etwas beurteilen zu müssen.

Alle ethische Einsicht geht letzten Endes auf "trial and error" zurück. Nur aus Schaden wird man klug; zugleich aber scheint die Geschichte fast nichts anderes zu lehren, als dass man immer wieder die Mühe scheut, aus ihr tatsächlich zu lernen.

So formuliert es Peter Knauer in seinem sehr lesenwerten Buch "Handlungsnetze". Zuweilen hält man an etwas fest und meint, es sei selbstverständlich, was einer genaueren Prüfung nicht standhalten würde. Wie lange hat man etwa körperliche Züchtigung von Kindern als zulässig angesehen. In anderen Punkten bleibt eine erstaunliche ethische Blindheit weiterbestehen, etwa in Bezug auf die Auswirkungen mancher finanziellen Spekulation.

Das Buch "Handlungsnetze" von Peter Knauer ist übrigens sehr zu empfehlen. Hier setzt er sich unter anderem mit der Frage auseinander, was man heute unter Handlungen verstehen soll, die von vornherein »in sich schlecht« sind. Nur solche Handlungen kommen dafür in Frage, die mit einem Schaden verbunden sind. Doch nur wenn ihr Grund kein »entsprechender« ist, sind sie tatsächlich »in sich schlecht«. Was soll man sich darunter vorstellen?

Eigentlich sind es Handlungen, die ihrem Grund nicht auf die Dauer und im Ganzen entsprechen; sie haben vielmehr die objektive Struktur von Raubbau. Sie untergrabenuniversal gesehen gerade den Wert oder Werteverbund, den man in ihnen anstrebt, oder vermehren den Schaden oder Verbund von Schäden, den man vermeiden will.


Glaube und Ethik

In welchem Verhältnis stehen christlicher Glaube und Ethik zueinander? Der gesamte christliche Glaube lässt sich nach Peter Knauer in folgender Kurzformel zusammenfassen:
An Jesus als den Sohn Gottes glauben bedeutet: aufgrund seines Wortes sich und die ganze Welt in die ewige Liebe Gottes zu Gott, des Vaters zum Sohn, aufgenommen zu wissen, die der Heilige Geist ist.

Der Glaube bringt keine zusätzlichen ethischen Forderungen mit sich, sondern er befreit aus der Macht jener Angst des Menschen um sich selbst (vgl. Hebr 2,15), die sonst Wurzel aller Unmenschlichkeit und damit alles Bösen ist.

Richtig handeln kann man natürlich auch ohne Glauben.

Wenn jemand im Selbstbedienungsladen nicht stiehlt, sondern die Ware ordnungsgemäß bezahlt, weil er Angst hat, sonst erwischt zu werden, hat er nichts Böses getan, sondern ethisch richtig gehandelt. Aber zur ethischen Gutheit gehört mehr, nämlich dass man nicht nur faktisch, sondern prinzipiell ethisch richtig handeln würde. Und dazu ist es notwendig, nicht aus der Angst um sich selbst, sondern aus einem letzten Vertrauen zu leben.

Es kann sich dabei auch um so genannten »anonymen« Glauben handeln, der vielleicht weder den Namen Jesu kennt noch überhaupt von Gott richtig zu sprechen vermag. Knauer geht aber davon aus: Wenn jemand liebevoll lebt und der christlichen Botschaft in klarer Form begegnete, würde er rückschauend erkennen, dass er längst aus dem Geist Jesu gelebt hat, auch wenn er es noch nicht wusste.





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